Vorsicht bei einer freien Kündigung eines Bauvertrages durch den Bauherrn
Das OLG Brandenburg hat sich in einem Urteil vom 15.09.2022 (AZ: 12 U 37/21) mit der Frage auseinandergesetzt, welche Ansprüche der Bauunternehmer bei einem gekündigten Bauvertrag durch den Bauherrn hat.
Der Gesetzgeber macht es dem Bauherrn sehr leicht, wenn dieser sich von einem Bauvertrag lösen möchte, indem in § 648 Satz 1 BGB normiert wird, dass der Besteller (= Bauherr) jederzeit bis zur Vollendung des Werkes den (Bau-) Vertrag kündigen kann. Wenn der Bauherr kündigt, müssen auch die Folgen nach § 648 Satz 2 BGB bedacht werden, wonach der Unternehmer die „vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen“ verlangen kann.
In dem Fall des OLG Brandenburg ging es um die Lieferung und Montage von 30 Edelstahlschornsteinen. Es wurde ein Werklohn von insgesamt 64.230,00 € vereinbart. Der Unternehmer erbrachte Leistungen im Wert von 5.053,86 €. Der Bauherr hat – aus welchen Gründen auch immer – von seinem Recht nach § 648 Satz 1 BGB Gebrauch gemacht und den Bauvertrag gekündigt. Der Betrag für die erbrachte Leistung stand dem Unternehmer fraglos zu.
Das OLG Brandenburg verweist zunächst auf die Regelung in § 648 Satz 2 BGB, wonach der Unternehmer Anspruch auf den vollen Werklohn abzüglich seiner ersparten Aufwendungen hat. Hinsichtlich der ersparten Aufwendungen ist es zunächst an dem Bauunternehmer, diese schlüssig darzulegen, denn nur dann ist der Bauherr überhaupt in der Lage, die vom Unternehmer behaupteten ersparten Aufwendungen prüfen zu können. Wenn der Unternehmer „nur im Kopf kalkuliert“ haben sollte, wird er nicht umhin kommen, die Kalkulation schriftlich zu Papier zu bringen – so das OLG. Sobald der Unternehmer zu seinen ersparten Aufwendungen schlüssig vorgetragen hat, obliegt es der Darlegungs- und Beweislast des Bauherrn, dass der Unternehmer höhere ersparte Aufwendungen hatte. Die Darlegungs- und Beweislast führt dazu, dass verbleibende Zweifel zu Lasten des Bauherrn gehen. Die Hürde für den Bauherrn ist damit sehr hoch. So hatte sich der Bauherr damit verteidigt, dass die Angaben des Unternehmers zu den Materialkosten vollkommen utopisch seien, weil dieser Rabatte von bis zu 78 % von seinen Materialkosten abzieht, mit dem Ergebnis, dass ein entsprechend hoher Werklohnanteil zugunsten des Unternehmers verbleibt. Das OLG entschied jedoch, dass dieser Vortrag des Unternehmers nicht unplausibel sei und holte nicht einmal ein Sachverständigengutachten ein.
Das OLG Brandenburg führt weiter aus, dass zu den ersparten Aufwendungen Material- und Fahrtkosten und gegebenenfalls auch Kosten für den Einsatz von Arbeitskräften gehören. Allgemeine Geschäftskosten sowie alle Kosten im Betrieb des Unternehmers, die unabhängig vom gekündigten Bauvertrag ohnehin entstanden wären, fallen nicht unter die ersparten Kosten.
In dem Fall des OLG Brandenburg führte die freie Kündigung des Bauherrn dazu, dass der Bauherr neben der Vergütung für die erbrachte Leistung im Wert von 5.053,86 € weitere 21.158,81 € zahlen musste, obwohl er hierfür überhaupt keine Gegenleistung durch den Unternehmer erhalten hatte.
Vor diesem Hintergrund ist von dem „verlockenden Angebot“ des Gesetzgebers in § 648 Satz 1 BGB durch den Bauherrn nur mit allergrößter Vorsicht – und wenn, dann am besten am Ende des Bauprojektes – Gebrauch zu machen.