23. August 2022

Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) – Das scharfe Schwert des Insolvenzverwalters gegen Gläubiger

Erfahrungsgemäß bleibt im Geschäftsleben kaum ein Unternehmen als Gläubiger von einem Insolvenzverwalter (IV) von einer Vorsatzanfechtung verschont. Dabei nimmt der IV den Gläubiger auf Rückgewähr einer Zahlung (in die Insolvenzmasse), welche das später in die Insolvenz geratene Schuldner(-Unternehmen) im Rahmen eines Leistungsaustausches (bspw. Kaufvertrages) an den Gläubiger vorgenommen hat, in Anspruch. Verkürzt setzt die Vorsatzanfechtung voraus, dass der Schuldner in der Absicht handelte, durch die Zahlung an den Gläubiger seine (übrigen) Gläubiger zu benachteiligen, und der Gläubiger über diese Absicht bei der Entgegennahme der Zahlung im Bilde war.

Ausgehend von seiner Entscheidung vom 6.5.2021 (IX ZR 72/20) hat der Bundesgerichtshof nun mit zwei weiteren Entscheidungen vom 10.2.2022 (IX ZR 148/19) und 24.4.2022 (IX ZR 250/20) allerdings Pflöcke gegen in der Praxis bislang allzu leicht vom IV erfüllbare Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung eingeschlagen. Insbesondere hat der IV nunmehr ins Einzelne gehend darzulegen sowie notfalls zu beweisen, dass der Schuldner bei seiner Zahlung an den Gläubiger den Ausfall seiner übrigen Gläubiger billigend in Kauf genommen hat und dem Gläubiger ein oder mehrere Umstände bekannt waren, der/die für sich bzw. in Summe genommen eine derartige Bedeutung erreicht/erreichen, annehmen zu können, er – der Schuldner – könne weder zahlen noch sich die notwendigen liquiden Mittel binnen 3-Wochenfrist beschaffen.

Schon vor dieser Rechtsprechung vermochte ein in Insolvenzanfechtungssachen versierter Rechtsanwalt die behauptete Vorsatzanfechtung so manchen IVs zu Fall bringen. Dies wird diesem Rechtsanwalt vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung jetzt gar ein stückweit erleichtert. Umso mehr wird hingegen ein IV bestrebt sein, in der Vorbereitung einer Vorsatzanfechtung die Tatsachen herauszufiltern, die sie auch unter den vom Bundesgerichtshof verschärften Voraussetzungen erfolgreich sein lässt.

Der Entstehung solcher ihm später als Vorsatzanfechtung auf die Füße fallender Tatsachen kann der Gläubiger vorbeugen. Beispielsweise sollte er mit seinem (drohend) notleidend werdenden Schuldner nicht schriftlich bzw. per Email über Zahlungsfristen oder -erleichterungen korrespondieren. Mündlich eine Ratenzahlung zu vereinbaren, reicht grundsätzlich aus, wenn kein Schriftformgebot besteht. Für den Fall der Säumnis sollte der Gläubiger regelmäßig nicht mit Mahnbescheid oder Klage drohen und schon gar nicht ankündigen, Insolvenzantrag stellen zu wollen, falls nicht sofort gezahlt wird. Sich Auszüge aus der internen oder externen Rechnungslegung des Schuldners (Verbindlichkeitenspiegel, aktuelle BWA oder Jahres- bzw. Zwischenabschlüsse) übersenden zu lassen, aus denen die Krise des Schuldners erst recht offenbar wird, führt geradewegs zur Kenntnis des Gläubigers vom (drohenden) Zahlungsverfall. Dies sind nur einige aus dem Korb der schädlichen Indizien, deren Entstehung aus Sicht des Gläubigers dringend vermieden werden sollte.