Mangelnde Abgrenzung von Vorschäden
In einer Entscheidung vom 13.08.2021 (9 O 368/20) hat sich das Landgericht Aachen eingehend mit der Vorschadenproblematik befasst. Sehr häufig kommt es vor, dass Geschädigte ihre Fahrzeugschäden fiktiv geltend machen, ohne eine sach- und fachgerechte Reparatur durchzuführen und auch dokumentieren zu können. Bei einem späteren Unfallereignis mit demselben Fahrzeug muss der Geschädigte jedoch Art, Ausmaß und Entstehung des Vorschadens sowie insbesondere dessen Beseitigung konkret darlegen und erforderlichenfalls beweisen, weil dies Voraussetzung ist, um bei dem späteren Schadensereignis Ansprüche geltend machen zu können, insbesondere wenn die Schäden in identischen oder sich überschneidenden Bereichen liegen.
Die Anforderungen, die der Geschädigte in einem solchen Fall erfüllen muss, sind streng. Das führt immer wieder dazu, dass Geschädigte, die mit einer fiktiven Abrechnung „einen schnellen Euro“ einstreichen wollen, ohne Art und Umfang von durchgeführten Reparaturmaßnahmen im Einzelnen nachweisen zu können, bei dem späteren Schadensereignis nicht darlegen können, dass und in welchem Umfang ihnen dadurch ein weitergehender Schaden entstanden ist. Der Geschädigte unterliegt grundsätzlich dem Beweismaßstab des § 286 ZPO. Er muss das unfallkausale Eintreten des von ihm geltend gemachten Schadens also mit einem Grad an Gewissheit nachweisen, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet.
Das Landgericht Aachen hat zu den insoweit zu erfüllenden Voraussetzungen klargestellt, dass es bei Vorliegen von Vorschäden bereits zur schlüssigen Behauptung eines kausalen Schadens konkreter Darlegungen des Geschädigten zu Art und Umfang der vor Beschädigungen einerseits sowie den konkret ergriffenen Reparaturmaßnahmen vor dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen andererseits bedarf. Dazu muss der Geschädigte die Vorschäden im Einzelnen, mithin die konkret beschädigten Fahrzeugteile und die Art ihrer Beschädigung sowie die für die Beseitigung erforderlichen einzelnen Reparaturschritte und die tatsächlich vorgenommenen Reparaturarbeiten darlegen, ohne dass im Ausgangspunkt allein die Vorlage von Rechnungen (über eine Ersatzteilbeschaffung) genügt (Landgericht Aachen vom 13.08.2021, 9 O 368/20 unter Hinweis auf OLG Köln vom 17.01.2017, 11 W 1/17). Genügt der Vortrag des vermeintlich Geschädigten diesen Anforderungen nicht, so sind auch unter Umständen noch kompatible Schäden an dem Fahrzeug nicht erstattungsfähig, wenn und weil ein auch nur teilweises Beruhen der noch kompatiblen Schadensspuren auf einem vorangegangenen Ereignis nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.
Das Landgericht hat weiter ausgeführt, dass es in diesem Zusammenhang regelmäßig unzureichend ist, eine ordnungsgemäße Beseitigung von Vorschäden pauschal zu behaupten oder sich nur auf Zeugen oder eine Reparaturbestätigung zu beziehen.
Das Oberlandesgericht Köln hat die Entscheidung mit Hinweisbeschluss vom 09.02.2022 gem. § 522 ZPO bestätigt, 5 U 167/21.
Fazit: Wer einen Fahrzeugschaden fiktiv geltend macht, ohne die vollständig sach- und fachgerechte Reparatur in geeigneter Weise (insbesondere durch eine Reparaturrechnung) nachweisen zu können, läuft bei einem Folgeschaden Gefahr, insgesamt keinen weiteren Ersatz zu erhalten.