30. April 2023

Fortbestehensprognose bei Startup

Zwei jüngere Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Düsseldorf (B. v. 20.07.2021 – 12 W 7/21 und 12 U 54/21) zur Überschuldung von Startups sollten GmbH-Geschäftsführer nicht mit Blick auf eine an diesen Insolvenztatbestand anknüpfende Geschäftsführerhaftung nach § 15b InsO zur Sorglosigkeit verleiten. In einem der Fälle bot der Sachverhalt eine gewisse Stetigkeit der Finanzierung für die in einem Zeitraum anfallenden Ausgaben der GmbH durch einen Gesellschafter, ohne dass dieser eine (harte) Patronatserklärung abgegeben hatte. Die GmbH geriet in die Insolvenz, nachdem dieser Gesellschafter für den nächsten anstehenden Ausgabenzeitraum keine Finanzierung mehr sicherstellte. Dem OLG Düsseldorf ist (eher) nicht in seinen Überlegungen hinsichtlich der Fortbestehensprognose der GmbH (Startups) bis zum Abbruch der Finanzierungsstetigkeit durch den Gesellschafter zu folgen.

 

Zunächst sind einige grundsätzliche Überlegungen anzustellen, die GmbH-Geschäftsführer zwingend (!) zu beachten haben, um im Falle ihrer Geschäftsführerhaftung wegen Insolvenzreife (§ 15b InsO) überhaupt die Chance wahren zu können, sich zu exkulpieren.

 

Idealiter zeichnet Startups mit Gründung das Vorhandensein und Wirtschaften auf einer integrierten, am monatlichen Geldverbrauch orientierten Finanzplanung (Plan-Bilanz, -GuV und Liquiditätsplan) aus. Diese ist über einen Zeitraum von mindestens 12, eher 24 Monaten in notwendiger Plantiefe auszurollen und nahezu tagesaktuell zu halten (permanente Aktualisierung der Finanz- und Ertragsplanung durch die Geschäftsführung). Gewöhnlich wird ihr nach Ablauf eines Quartals ein neues Plan-Quartal angehängt. Abweichungen im SOLL/IST-Bereich sind minutiös nachzuhalten, nachvollziehbar zu erläutern und die Gesamtplanung ist hiernach umgehend neu auszurichten. Alles dies dient der Beherrschung von Liquiditätskrisen, die eindeutig zu den größten Problemen und Insolvenzursachen gerade junger Unternehmen (Startups) gehören. Das Startup ist finanziell so aufzustellen und mit einem Sicherheitspuffer zu versehen, als hätte es zugunsten der Gläubiger eine Insolvenzausfallversicherung abgeschlossen. Nur wenn sich das Startup eine solche Versicherung leisten kann, kommt seine Fortbestehensprognose (im Rahmen seiner Überschuldungsprüfung) überhaupt erst in Betracht.

 

Komplementär dazu ist ein Controlling-Instrumentarium vorzuhalten, das einen ungeplanten Kapitalbedarf frühzeitig erkennt und so dem Management genügend Zeit für Verhandlungen mit alten oder neuen Kapitalgebern belässt. Wenn die Akquisition neuer Finanzmittel zeitaufwändig ist, kann sich ein schlichter Liquiditätsengpass schnell existenzbedrohend auswirken. Es ist deshalb sehr wichtig, eine angemessene Liquiditätsreserve für unvorhergesehene Entwicklungen einzuplanen und Finanzierungsrunden nicht zu knapp zu dimensionieren.

 

Demjenigen GmbH-Geschäftsführer eines Startups, der die vorstehenden Grundsätze der Finanzierung beherzigt, eröffnet sich wenigstens eine realistische Chance, seiner Geschäftsführerhaftung nach § 15b InsO bei Insolvenzreife (Überschuldung) der GmbH entgehen zu können. Dazu gehört auch, dass der bislang finanzierende Gesellschafter (oder ein Dritter) eine die Kosten der Abwicklung des Startups deckende belastbare Patronatserklärung abgibt bzw. dass vom Startup eine entsprechende Liquiditätsreserve vorgehalten wird.