23. November 2023

Ein selbständiges Beweisverfahren hemmt die Verjährung für alle im Verfahren befindlichen Mängel bis zum Abschluss des Verfahrens (BGH, Urteil vom 22.06.2023 – VII ZR 881/21)

Wenn der Auftraggeber von Bauleistungen Mängel der Leistungen geltend macht, leitet er oft gegen den oder die verantwortlichen Unternehmer ein gerichtliches selbständiges Beweisverfahren ein. In einem solchen Verfahren wird nicht nur durch ein vom Gericht beauftragtes Gutachten für die Parteien verbindlich das Vorliegen der Mängel sowie die voraussichtliche Höhe der Mangelbeseitigungskosten (die bei der Einleitung einer Klage beziffert werden müssen) festgestellt, sondern während des Verfahrens läuft auch die Verjährung der Mangelansprüche nicht weiter.

Insoweit war aber in der Vergangenheit Vorsicht geboten: Seit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1991 entsprach es nämlich allgemeiner Auffassung, dass der Lauf der Verjährung für jeden einzelnen Mangel gesondert zu beurteilen ist. Wurde deshalb nach einem ersten Gutachten nur wegen einzelner Mängel eine Ergänzungsbegutachtung durchgeführt, begann die Verjährung für die nicht mehr in der Begutachtung befindlichen Mängel wieder zu laufen. Dies führte immer wieder dazu, dass Auftraggeber von Bauleistungen aufgrund der Auffassung, das selbständige Beweisverfahren würde die Verjährung schon hemmen, einzelne Mängelansprüche (nämlich die für die nicht mehr in der Begutachtung befindlichen Mängel) verjähren ließen.

Mit der genannten aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof nun seine Auffassung, dass die Hemmung der Verjährung durch ein selbständiges Beweisverfahren für jeden Mangel gesondert zu beurteilen ist, ausdrücklich aufgegeben: Die Verjährung wird durch ein solches Verfahren bis zu seinem endgültigen Abschluss für sämtliche in ihm geltend gemachten Mängel gehemmt, und zwar auch dann, wenn die Begutachtung sich auf einzelne Mängel nicht mehr erstreckt, die Mängel verschiedene Gewerke betreffen und/oder durch verschiedene Sachverständige zu begutachten sind. Begründet wird dies durch den Bundesgerichtshof damit, dass der Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Regelungen zur Verjährungshemmung ausdrücklich auf die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens abstellt und damit die Frage, ob wegen einzelner Mängel die Begutachtung abgeschlossen ist, keine Rolle spielen darf.