15. August 2022

Auch deutlich gestiegene Materialpreise berechtigen den Unternehmer nicht zur Anpassung des mit dem Auftraggeber vereinbarten Preises

Aus konjunkturellen Gründen, aber nicht zuletzt auch wegen des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine steigen derzeit die Preise für Baustoffe extrem an. Für den Unternehmer stellt sich damit die Frage, ob er diese Preissteigerungen im Rahmen bestehender Verträge zumindest teilweise an den Auftraggeber weitergeben kann.

Bei der Beantwortung dieser Frage ist von der grundlegenden Norm des Werkvertragsrechtes, § 631 BGB, auszugehen. Danach hat der Unternehmer Anspruch auf „die vereinbarte Vergütung“, aber eben nicht auf einen Zuschlag wegen unerwarteter Umstände. Enthält der Vertrag keine Preisanpassungsklausel (was zumindest bei Altverträgen fast immer der Fall sein wird), gibt es also keine Möglichkeit, nachträglich die Preise zu erhöhen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17) sogar dann, wenn die Mehrkosten deshalb entstanden sind, weil der Auftraggeber/Bauherr die Abwicklung des Vertrages verzögert hat. Der Unternehmer bleibt also auch dann an den vereinbarten Preis gebunden, wenn dieser Preis zwar bei einer Bauausführung in der vertraglich vereinbarten Zeit auskömmlich gewesen wäre, aber die Bauausführung wegen vom Bauherrn zu vertretender Umstände verspätet erfolgt und der Preis dann nicht mehr kostendeckend ist.

Bei solchen Ergebnissen fragen Juristen immer, ob eine Anpassung des Ergebnisses nach den Grundsätzen von Treu und Glauben möglich und erforderlich ist. In Betracht kommt hier das auf diesen Grundsätzen fußende Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Es ist aber Folgendes zu beachten:

Generell ist festzustellen, dass Gerichte mit der Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage mehr als zurückhaltend sind. Außerdem muss bei der Frage, ob die Geschäftsgrundlage gestört ist, der ganze Vertrag betrachtet werden; Materialkostensteigerungen, die nur einzelne Positionen der Leistung betreffen, werden daher in aller Regel unbeachtlich bleiben. Zudem waren bereits vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine erhebliche Preissteigerungen zu beobachten; bei dieser Sachlage wird sich der Unternehmer kaum darauf berufen können, er sei berechtigt von stabilen Preisen ausgegangen.

Es muss damit festgehalten werden, dass es für den Unternehmer keine realistischen Möglichkeiten gibt, die gestiegenen Materialeinkaufspreise an den Auftraggeber weiterzugeben.